Nachverdichtung aufgrund von Wohnungsnot?

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Wohnungsbestand in Deutschland so zerstört, dass die Menschen in Kellern und unter Brücken hausen mussten, das war Wohnungsnot.

Heute gibt es Deutschlandweit genug Wohnungen für alle Haushalte. Schließlich wohnen ja alle Menschen jetzt schon irgendwo. Jedoch sind die Haushalte auf eine Wohnung in Pendel-Entfernung zu ihrem Arbeits- oder Ausbildungsplatz angewiesen.

Durch den stetigen Neubau von Bürogebäuden im Stadtgebiet verschärft die Stadt selbst die Wohnraumsituation. Die verfügbaren Wohnungen nahe dem Arbeits- oder Ausbildungsplatz werden knapp. Daher sollten wir nicht von einer Wohnungsnot, sondern von einer Wohnungsknappheit sprechen. Die Frage muss deshalb lauten: Brauchen wir in Karlsruhe eine Nachverdichtung aufgrund des Neubaus von Gewerbegebäuden?

Wenn ich mir die Entwicklung der Stadt seit 2007 anschaue, so finde ich folgende Zahlen (siehe Statistikatlas Karlsruhe):
Im Zeitraum von 2007 bis 2017 sind 6305 Wohnungen entstanden. Bei der sehr stabilen durchschnittlichen Wohnungsbelegung von 2 Personen pro Wohnung wurden also innerhalb von 10 Jahren Wohnraum für 12610 Personen geschaffen. Im gleichen Zeitraum gab es aber nur einen Bevölkerungszuwachs von 8078 Personen!

Demnach wurden 2266 Wohnungen zu viel gebaut! Wie passt das mit der angeblichen „Wohnungsnot“ zusammen? – Gar nicht. Das ist kein Zeichen von Wohnungsknappheit. Völlig außer Acht gelassen ist der kausale Zusammenhang von Bevölkerung und Wohnungsbau. Die Bevölkerung kann nur wachsen wenn auch Wohnraum für den Zuzug vorhanden ist. Die Bevölkerung folgt also dem Wohnungsbau – nicht umgekehrt!

Soweit ich mich erinnere gab es 2007 noch keine Diskussionen um einen knappen Wohnungsmarkt. Damals ging die wohnungspolitische Diskussion vorwiegend um den sich abzeichnenden Wohnungsüberhang infolge des demographischen Wandels. Was hat sich also verändert?

Sei etwa 2006 sind steigende Mieten und Immobilienpreise zu beobachten. Dies wird von der Stadt und den Gemeinderatsmitgliedern gerne als Argument für die „Wohnungsnot“ hergenommen, um weiteren Wohnungsbau zu rechtfertigen. Mit zunehmendem Neubau werde diesem Zustand entgegnet. Also Nachverdichtung aufgrund von steigenden Mieten?

Hier wird auf den scheinbar plausiblen Zusammenhang von Angebot und Nachfrage verwiesen. Gibt es mehr Wohnungen, so werden also die Mieten günstiger? Nun, die Miethöhe ergibt sich aus dem Investitionsaufwand für den Neubau oder den Erwerb von Wohnungen. Da die Immobilien inzwischen sehr hochpreisig sind, muss für eine Kostendeckung die Miete dementsprechend hoch ausfallen. Zudem werden Neubauten durch die Auflagen unserer Regierung immer weiter verteuert. Die Vermieter von Bestandswohnungen sehen das Mietpreisniveau der Umgebung und sehen die Chance nach jahrelanger Schmälerung der Mieteinkünfte durch Inflation, vor allem durch die damalige Euro-Einführung, nun ihre Einkünfte auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten anzugleichen.

Es sind also die steigenden Immobilienpreise, welche die Mieten in die Höhe treiben. Doch woher kommen die steigenden Preise? Ja, das ist in erster Linie der Geldpolitik unserer EZB (Europäischen-Zentral-Bank) zu verdanken. Die niedrigen Darlehenszinsen und der Mangel an attraktiven alternativen Geldanlagen treiben viele Menschen zum Immobilienkauf und das Angebot der zum Verkauf stehenden Wohnungen schwindet.

Wenn unsere Politiker nun behaupten durch den Neubau von Wohnungen würden die Mieten und Immobilienpreise günstiger werden, so zeugt das entweder von einer Unkenntnis der Sachlage, ist reines Wunschdenken oder eine gezielte Irreführung.

Was sich für die Bürger auf den ersten Blick wie ein logischer Schluss der Marktregulierung darstellt, ist bei näherem Hinsehen nur eine Irreführung um die Nachverdichtung zu rechtfertigen und den Bürgern einzureden eine Nachverdichtung sei aufgrund der hohen Mietpreise wünschenswert. Klar sieht jeder die steigenden Preise und die Politik zeigt einen scheinbaren Ausweg. Jedoch ist dieses Argument nur eine Vermischung der Wünsche der Bürger mit den Nachverdichtungszielen der Stadt.

Die Wahrheit ist, dass durch den Neubau weiterer Wohnungen keine einzige Wohnung günstiger wird. Wie soll ein Neubau auch günstiger sein als eine Bestandswohnung? Die Ursache der steigenden Mieten ist nicht der Mangel an Neubauten sondern unsere Geldpolitik. Solange sich daran nichts ändert ist es völlig belanglos wie viele Neubauten entstehen. Eine Nachverdichtung löst nicht das Problem der hohen Mieten.

Die Bürger sollten sich nicht länger an der Nase herumführen lassen. Es wird erzählt die Bauwut der Stadt ist vom Ziel getrieben die zweitgrößte Stadt Baden-Württembergs zu bleiben. Mannheim legt angeblich mit dem Bau von 15.000 Wohnungen nach und unser OB will vorne bleiben.

Da hilft es bei den anstehenden Wahlen die nötige Konsequenz zu ziehen.

Euer betroffener Waldstadtbürger,
Manfred Meiser

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2 Kommentare
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Anne
Anne
3 Jahre zuvor

Sehr geehrter Herr Meiser,

ich stimme Ihnen bei Ihrer Analysen voll zu, jedoch was ist die Alternative die Preisspirale zu durchbrechen?

Wir sind eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern. Wir sind beide berufstätig, haben überdurchschnittliches Gehalt und bereits Geld auf die Seite gelegt, um Wohneigentum zu erwerben. Trotz dieser sehr guten Voraussetzungen sitzen wir bereits seid mehreren Jahren in unserer zu kleinen Mietwohnung fest. Bei Vermietung von vier Zimmer Wohnungen werden wir als Familie nicht zur Besichtigung eingeladen, da eher noch an Single mit Hund oder ALG2 Empfänger vermietet wird, als an eine berufstätige Familie. Beim Eigenheimerwerb sind alle auf der Suche nach Anlage in Sachwerten und damit steigt der Preis weiter und weiter. Alte Einfamilienhäuser aus den 60er/70er Jahren mit Sanierungsstau werden im Stadtgebiet für 600-700TEUR verkauft, rechnet man nun noch Makler, Nebenerwerbskosten sowie Sanierungskosten hinzu, landet man schnell bei Summe um 1 Mio. EUR. Im Landkreis wird es nicht viel günstiger. Wer ohne großzügiges Erbe kann das finanzieren bzw. die Schulden zu Lebzeiten erwirtschaften und begleichen?

Ja, wir haben ein Dach überm Kopf (3,5 Zimmer, 85qm), sind nicht obdachlos und sicherlich haben vor Generationen mehr als vier Personen in so einer Wohnung gelebt. Ich habe große Sorge vor einer Eigenbedarfskündigung, da es kaum möglich sein wird zu viert etwas zu finden ohne sehr weite Arbeitswege und neue Kita/Schulplätze zu finden. Zudem sehe ich auch, dass meine Generation trotz guter Ausbildung und Anstellung aus eigener Kraft kaum Chance hat Wohneigentum zu erwerben. Was macht das mit der Gesellschaft und wie wird unsere Altersvorsorge aussehen? Wir können nicht warten, bis sich die Geldpolitik ändert oder die Babyboomer Wohnraum frei machen. Wir brauchen heute Lösungen, da in 20 Jahre unsere Kinder groß sind.

Beste Grüße
Anne

Bender
Bender
2 Jahre zuvor
Antwort an  Anne

Toller Beitrag.
Aber ich möchte anmerken;
meine Schwester musste sich bis zu Ihrem 14. Lebensjahr ein
8 Quadratmeter großes Zimmer mit mir teilen. Ende der 70er Jahre.
Wir haben die enge Wohnsituation auch überlebt, ohne eigenes Zimmer für jeden in unserer Familie.
Ich würde behaupten, es hat sogar unseren familiären Zusammenhalt stark gefördert.
Auf dem Land habe ich gehört, gibt es wohl bezahlbare Häuser für Familien.
Man kann ja mal versuchen, aus gewissen Komfortzonen heraus zu gehen.
Ich drücke aber die Daumen, dass es zeitnah eine brauchbare Lösung für euer Familiendasein gibt!!